16. Dezember 2020

Bio oder nicht Bio?

Was macht denn eigentlich ein guter Philosoph, eine gute Schülerin aus?

Vielleicht das letzte Zeichen im vorangehenden Satz: Das Fragezeichen. Der oder die Fragende zeigt nicht nur, dass er/sie mitdenkt, die Person zeigt auch, dass grundsätzlich eine innere Gedanken-Ordnung vorhanden ist, das zu Erfragende allerdings noch nicht innerlich abgelegt werden kann, weil dazu noch Informationen nötig sind.

Auch ich frage mich oft: Über Grosses und ebenso über alltägliche Kleinigkeiten. Ich frage mich, weil ich meine Welt – die äussere, wie auch die innere – besser verstehen will. Scheinbar schlüssige logische Folgen verstricken sich in Widersprüchliches, und auch umgekehrt.

Die Bio-Zertifizierung ist beispielsweise so eine Sache: Seit Anfang 2020 ist unsere Rösterei nicht mehr Bio zertifiziert. Ich bin zwar absolut davon überzeugt, dass nur naturnaher Anbau und nachhaltig produzierter Kaffee sinnvoll sind. Und zehn Jahre habe ich mit Bio-Labels geworben. Nun ist es aber so, dass ich meinen Kaffee inzwischen von vielen persönlich bekannten Klein- und Kleinstproduzenten beziehe, welche zwar die Richtlinien der biologischen Produktion bei Weitem einhalten aber keine Zertifizierung besitzen. Zum Beispiel weil die Kosten zu gross und die Familien zu arm sind oder weil die Beamten vielleicht dafür ein unanständig hohes Taschengeld verlangen. Manchmal fehlt es an Equipment und Know How. Manchmal sind es einfach nur unterschiedliche Ansichten oder Systemfragen, welche aufeinanderprallen wie ich auf meinen Reisen erfahren musste. So hatte ich schon viele spannende Dialoge mit Kaffeebauern in Äthiopien darüber warum sie jetzt nach 1000 Jahren Kaffeekultur ohne synthetische Düngemittel und Pestiziden plötzlich gegen eine Gebühr den Kaffee nach willkürlichen westlichen Kriterien und Parameter zertifizieren lassen sollen.

Was für eine Schlussfolgerung ziehe ich nun aus dieser Begebenheit? Wie so oft gibt es viele Wege, welche nach Rom führen. Nachhaltigkeit bei Umwelt und in sozialen Bereichen erreicht man nicht nur mit einem Label. Darum werde ich auch künftig weiterhin vor Ort beim Kaffeebauer persönlich die besten Kaffees verkosten und einkaufen und persönlich nach bestem Wissen und Gewissen Soziale- und Ökologische Standards sicherstellen auch wenn ich auf diesem Weg im Flugzeug bereits im nächsten ökologischen Dilemma sitze ;- ) …

Raffaels Farben auf Hosennen Kaffee
Da mich das Fragenstellen, das Nachdenken über die Welt und auch das Philosophieren über diese mich immer schon begeistert hat, habe ich für die Farben unserer Produkte-Etiketten stets am Gemälde des berühmten Künstlers Raffael orientiert.

Es sind, typisch für diese Epoche, gebrochene und trotzdem kräftige Farben. Diese Art von Farben faszinieren mich deshalb so, weil sie zum Spielen (und Nachdenken) animieren: Sie wirken, je nach Hintergrund, ganz unterschiedlich. Probieren Sie es selber aus und legen Sie eine Etikette mal auf einen hellen, mal auf einen dunklen Untergrund. Sie bemerken, das auf dem dunklen Untergrund die Farben viel heller, leuchtender, auf dem hellen Untergrund viel dunkler und dumpfer wirken. Sie können die Etiketten auch auf einen ähnlich-farbigen Hintergrund legen, so treten die Unterschiede im Farbton besser hervor.

So wie der Kontext die Wirkung der Farben verändert, verändert dieser auch unsere Wahrnehmung der Welt. Das macht sie, für mich zumindest, unglaublich vielschichtig, interessant und sinnlich!

Bildlegende: «Die Schule von Athen» von Maler Raffael in der Stanza della Segnatura des Vatikans für Papst Julius II