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Zege Waldkaffee, Natural

Details
Aroma:kräftiger Körper, Trockene Früchte, würzig
Geröstet für:Siebträger, Vollautomat
Land:Äthiopien
Region:Amhara District
Anbauhöhe:1'800 m ü. M.
Kooperative:Zege Kooperative
Art:Coffea Arabica
Varietäten:Heirloom Ethiopia Cultivar
Qualität:Gr. 1
Aufbereitung:Trockene Aufbereitung
Ernte:2022
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Zege Wald­kaffee

Von Legenden und Geschichten

Ich bin noch nicht recht wach und lausche in die Nacht hinaus. Irgend etwas hat mich aufgeweckt.
Ich befinde mich seit gestern auf der Halbinsel Zege am Tanasee im Hochland Äthiopiens. Gestern angekommen, erlebte ich im Zege Dorf einen bunten lauten Markt, mit freundlichen Menschen. Jetzt ist es wieder ruhig, nicht einmal der sonst ständige, rasselnde Gesang der Zikaden ist zu hören.

Ein kopitscher Betruf
Von hier stammt der berühmte Zege Waldkaffee, dessen Vorkommen, Eigenheiten, Verarbeitung und Geschichte ich heute erforschen werde.
Eine kräftige Lautsprecherstimme ertönt erneut und sogleich weiss ich, was mich vorhin wohl geweckt hat: ein Betruf! Ich folge diesem Singsang, dieser charakteristischen Klangfarbe, und wundere mich plötzlich, dass ein Muezzin an einem Sonntag zum Gebet ruft. Und überhaupt – hier gibt es doch gar keine Muslime?

Ich erinnere mich, dass der Waldkaffee seit über tausend Jahren von Mönchen kultiviert und verarbeitet wird. Hier auf Zege haben diese Mönche zahlreiche Klöster gebaut. Sie gehören alle zur koptisch-orthodoxen Kirche, sind also Christen. Ist es möglich, dass es sich um einen christlichen Betruf handelt? Einer, der in meinen Ohren muslimisch tönt?

Natürlich – obwohl es die Kopten schon vor dem Islam gab, teilen sich die beiden Religionen dieselben Wurzeln. Ich erlebe hier also einen Ort an welchem noch vieles vereint ist, was die Geschichte andernorts getrennt hat. Es scheint mir, als ob hier die verbindenden Elemente dieser beiden Religionen mehr wiegt, als die trennenden.

Die Mönche und ihr Kaffee
Wie die folgende Legende besagt, waren es koptische Mönche, welche den Kaffee nach Zege brachten: Der Mönch Betra Maryam erhielt von Gott den Auftrag, in Zege Limonen, Hopfen und Kaffee anzubauen. Er teilte seinen Priesterstab in drei Teile und der Kopfteil verwandelte sich in die erste Kaffeepflanze. In einem der sieben Klöster von Zege ist diese einmalige Geschichte in Wandbildnissen verewigt. Zudem existiert auch ein altes Buch, indem diese besondere Begebenheit niedergeschrieben wurde. Noch heute gibt es auf Zege aus diesen historisch-religiösen Gründen keine echte Landkultivierung im herkömmlichen Sinne. So schützt der heilige Kaffee den Wald und der Wald den heiligen Kaffee.

Im Wald von Zege
Inzwischen ist es später Sonntagmorgen. Die Messe ist vorbei und wir besammeln uns, um in den Wald zu gehen.

Der Wald auf der Halbinsel Zege ist infolge eines nicht nachhaltigen Holz-schlags inzwischen das grösste zusammenhängende Waldstück rund um den ganzen Tanasee. Der Tanasee ist übrigens etwa sechs mal so gross wie der Bodensee und gehört mittlerweile zu einem Biosphären-Reservat. Wir gehen über trockene Erde und lichtes Buschwerk. Es ist Februar und obwohl wir uns auf über 1800 Meter über Meer befinden, ist es angenehm warm.

Schon bald erreichen wir die ersten Kaffee-Bäumchen, sie tragen viele rote Früchte und besitzen ein sattes grünes Blattwerk. Gesunde Bäume mit genügend Nährstoffen, denke ich mir. Dieser Wald hier ist hell und lichtdurchflutet – kein Vergleich zu den dichten Wäldern Südamerikas oder bei uns in der Schweiz. Dies ist für den Kaffee ideal, braucht er doch neben den Nährstoffen aus dem Boden vor allem auch genügend Licht, um gut zu gedeihen. Ich bin mir sicher, dass man hier mit sanfter Forstwirtschaft den Wald pflegt, also dann und wann einen grösseren Baum schlägt, um genügend Licht in den Wald zu bringen.

Unsere Gruppe geht nun weiter und wir kommen zu einem etwas dichteren Waldstück. Wir treffen auf eine Hirtin und ihre Ziegenherde. Die Ziegen fressen frische, reife Kaffeekirschen direkt vom Baum. Dies erinnert mich an die Legende, welche beschreibt, wie denn der erste Kaffee entdeckt wurde:

Die Entdeckung des Kaffees
Eines Tages im Jahr 850 nach Christus soll Hirten aufgefallen sein, dass ein Teil der Ziegenherde, welcher von einem Strauch mit weissen Blüten und roten Früchten gefressen hatte, bis in die Nacht hinein munter umher sprang, während die anderen Tiere müde waren. Die Hirten beklagten sich darüber bei den Mönchen des nahe gelegenen Klosters. Als der abessinische Hirte Kaldi selbst die Früchte des Strauchs probierte, stellte er auch bei sich eine belebende Wirkung fest. Bei Nachforschungen an der Grasungsstelle entdeckten die Mönche einige dunkelgrüne Pflanzen mit kirschenartigen Früchten. Sie bereiteten daraus einen Aufguss und konnten fortan bis tief in die Nacht hinein wach bleiben, beten und miteinander reden und sollen mit der Pflanze dann Handel getrieben haben.

Während dem mich der Betrufer heute morgen an die gemeinsamen Wurzeln des Islams und des Christentums erinnert hat, erinnert mich diese Ziegenhirtin an die Entdeckung des Kaffees. Zege ist für mich dadurch ein ganz spezieller Ort geworden. Hier berühren Geschichte und Legenden die Realität ganz besonders.

Inzwischen sind wir am Ufer des Tanasees angekommen. Vor uns breiten sich lange Bahnen mit bereits geernteten Kaffeekirschen aus, den sogenannten African Raised Beds. Sie liegen hier, um an der Sonne zu trocknen. Dieses traditionelle und älteste Verfahren der Kaffeeaufbereitung ergibt einen ausgeprägt süssen Kaffee. Es stehen einige Arbeiter*innen zwischen diesen Trocknungs-Betten.

Sie wenden die Kirschen und lesen die unreifen Früchte heraus. Es herrscht eine muntere Stimmung, eine gute Arbeit, um miteinander zu schwatzen und wie ich den fröhlichen Gesichtern entnehme, auch um zu scherzen.
An der Sorgfalt, wie sie die Kirschen berühren und in die Hände nehmen, sieht man, dass diese Kirschen für die Menschen hier einen ausserordentlichen Wert besitzen. Einen Wert, der nicht nur mit Geld aufzuwiegen ist, sondern auch identitätsstiftend wirkt – sie sind stolz auf ihre Kirschen. Dass nun ich auch einen Teil dieser wahrhaft langen Geschichte werden darf, erfüllt mich mit Freude und tiefer Dankbarkeit.